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Stadtgeschichte
Verkehrsgünstiger Standort mit Anbindung an alle wichtigen Handelswege
Ein bei Ermschwerd befindlicher Königshof gehörte zusammen mit einer Siedlung, dem heutigen Witzenhausen, zu einem Besitzkomplex, der im 11. Jahrhundert als Reichslehen den Grafen von Northeim unterstand. Nach dem Erlöschen dieser Linie im Jahr 1144 gelangte das Lehen kurz in die Hände der Grafen von Winzenberg, wenig später, im Jahr 1152, an Heinrich den Löwen. Nachdem dieser 1180 der Reichsacht verfiel, die ihn aller seiner Lehen beraubte, übernahmen die Landgrafen von Thüringen die Herrschaft im Werratal.
Bis zu dieser Zeit ist Witzenhausen in den historischen Quellen nicht nachweisbar, sieht man von einer Fälschung ab, in der „wizzenhuson“ um 850 im Zusammenhang mit dem Kloster Kaufungen erwähnt wird.
Im Rahmen ihrer expansiven Territorialpolitik, die die Werra als wichtigen Handelsweg einbezog, erkannten die thüringischen Landgrafen rasch den verkehrsgünstigen Standort der Stadt. Sie war Station auf dem Weg von Heilgenstadt nach Kassel sowie von Göttingen nach Melsungen, wo die Straße von Eisenach nach Frankfurt kreuzte.
1225 wurde die Marktverleihung in „Wicenhusin“ durch den thüringischen Landgrafen Ludwig IV. vollzogen. Wenige Jahre später wird die Siedlung 1247 erstmals als „civitas“, also als ein mit Stadtrechten versehener Ort, bezeichnet. Zwischenzeitlich hatte es sich jedoch gezeigt, daß der Standort der Stadt wegen der Nähe zum benachbarten Eichsfeld, das die Mainzer Erzbischöfe beherrschten, machtpolitisch problematisch war.
Nachdem die thüringischen Landgrafen 1232 den erzbischöflich mainzischen Ort Fritzlar erfolglos bestürmt hatten, belagerten noch im gleichen Jahr mainzische Söldner „Wicenhusen“ und machten es dem Erdboden gleich. Nach einem Vergleich mit dem Mainzer Erzbischof Siegfried von Eppstein begann man später, die planmäßige Stadtanlage weiterzuführen und den Ort mit einem doppelten Mauerring zu bewehren. Diese Arbeit wird etwa 80 bis 100 Jahre in Anspruch genommen haben und zu einer Zeit abgeschlossen gewesen sein, als eine Brücke über die Werra 1335 erstmals urkundlich nachweisbar ist.
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Machtverhältnisse im nördlichen Hessen entscheidend verändert.
Der letzte thüringische Landgraf im Mannesstamm, Heinrich Raspe, war noch im Jahr der Stadterhebung 1247 gestorben . Sein Tod löste den Hessischen Erbfolgekrieg aus, in dessen Verlauf die Markgrafen von Meißen, der Herzog von Braunschweig-Lüneburg, die Landgrafentochter Sophie von Brabant und der Erzbischof von Mainz um das vakante Reichslehen streiten. 1258 gelangte „Wizenhusen“ als Pfand in den Besitz des Herzogs Albrecht von Braunschweig,1263 verlor dieser die Stadt zusammen mit sieben anderen Orten an den Markgrafen Heinrich von Meißen. Ein Jahr später schließlich befindet sich die Stadt endgültig im Besitz des hessischen Landgrafen Heinrich I., dem Sohn der Sophie von Brabant, die auf ihre Rechte in Thüringen zugunsten des Markgrafen Heinrich von Meißen verzichtet hatte.
Erstaunlicherweise hatte auch dieser Konflikt, der als Hessischer Erbfolgekrieg in die Geschichtsschreibung einging, keine negativen Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt, in der sich auf Grund des günstigen Standortes eine beachtliche Anzahl von Kaufleuten niedergelassen hatte. Der älteste Gildebrief der Stadt von 1297 nennt die hohe Zahl von insgesamt 85 Mitgliedern.
Zu Ende des 13. Jahrhunderts lassen sich im Jahr 1271 Zisterzienserinnen im Nordosten der Stadt nieder. Deren Wirken ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn schon 1291 wird der Konvent von der Bruderschaft der Wilhelmiten übernommen .
Die hohe Prosperität und ausreichender Schutz innerhalb der Stadtmauer zog zahlreiche Menschen der näheren Umgebung in die Stadt. Als Folge der ländlichen Abwanderung wurden im 13./14. Jahrhundert einige Orte um Witzenhausen wüst: Eberhardshausen und Willershausen im Westen; im Süden Stempelshausen und Rengershausen.
Im Jahr 1479 wurde die Stadt von einem Brand heimgesucht, dem angeblich 225 Häuser, unter ihnen das Rathaus, zum Opfer fielen. Der Wiederaufbau setzte zügig ein, wie das Haus Marktgasse 2, eine ins Jahr 1480 datierte Ständer-Rähm-Mischkonstruktion, belegt. Weitere Häuser, die kurz nach dem Brand entstanden, sind in der Ermschwerder Straße nachweisbar.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatten sich die wirtschaftlichen Bedingungen in der Stadt konsolidiert. Zimmerleute und Steinmetze kommen nach Witzenhausen, um im Auftrag wohlhabender Bürger standesgemäße Fachwerkhäuser zu errichten. Aus dieser Zeit haben sich Reste historischer Bausubstanz in der Ermschwerder Straße, der Marktgasse, Am Brauhaus oder rund um den Kespermarkt erhalten.
Das nach 1479 vorerst provisorisch errichtete Rathaus wird 1590 vom Allendorfer Baumeister Hans Wetzel als repräsentativer Steinbau erbaut. Den Reichtum der Stadt verdeutlicht zu dieser Zeit neben den baulichen Zeugen eine Liste ansässiger Gilden aus dem Jahr 1592. Dort sind die Kaufleute der Hansegrebengilde, die Bäckerzunft, die Zünfte der Schuster, Wollweber, Leineweber, Schmiede, Schneider, Fleischhauer, Schreiner sowie die Gilde der Waldleute versammelt.
Wichtigstes Exportgut zu dieser Zeit waren wollene Tuche, die in Witzenhausen gewebt wurden. Sie gelangten über Leipzig in den Osthandel und über Osnabrück nach Holland. Um die Qualität der Ware wettbewerbsfähig zu halten, ließ Landgraf Moritz 1596 englische Tuchmacher und Weber nach Witzenhausen anwerben.
Nach Quellenberichten forderte die Pest im Jahr 1599 mit 900 Opfern etwa die Hälfte der Bevölkerung Witzenhausens. 1623 wird die Stadt von Tilly kampflos eingenommen, neun Jahre später von kaiserlichen Truppen geplündert. In der Mitte der 30er Jahre flüchtete die Bevölkerung mehrmals nach Münden, um den Soldaten und der immer wieder aufflackernden Pest zu entgehen. Im April 1638 kehrte die Bevölkerung dann endgültig nach Witzenhausen zurück:
Erst drei Generationen später hatte sich Witzenhausen, was die Bevölkerungszahl anbelangt, von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges erholt. Den Status einer wirtschaftlich prosperierenden Handelsstadt, lohnender Standort für Handwerker und Kaufleute, konnte der Ort jedoch nicht wieder erlangen.
Nach der kurzen Episode der napoleonischen Herrschaft wurde Witzenhausen im Rahmen der Verwaltungsreform unter Kurfürst Wilhelm 11. 1821 Kreisstadt, ein Status, den sie bis 1974 innehaben soll. Erste Industrie siedelte sich in Form von Papierfabriken im Geistertal an, mittelständische Tabakmanufakturen verarbeiteten einheimisches und importiertes Gewächs zu Zigarren.
Mit der Gründung der sog. „Deutschen Kolonialschule“ im Jahr 1899 wurde der Grundstein für die Bedeutung der Stadt als landwirtschaftliches Bildungszentrum von Rang gelegt. Heute besitzt die Stadt große internationale Reputation als Sitz des Fachbereichs Ökologische Landwirtschaft der Universität Kassel, der weltweit als bedeutendes Zentrum des ökologischen Landbaus gilt.
Witzenhausen verbindet als Deutschlands kleinste Universitätsstadt den jugendlichen Elan seiner fast 1000 Studenten mit seiner annähernd 800jährigen Geschichte, deren steinerne Zeugen bis in unsere Tage das Stadtbild maßgeblich prägen.
Das Stadt-Wappen
Wappenbeschreibung:
In blauem Feld eine gezinnte silberne Stadtmauer mit großem gezinnten Tor und zwei kleineren Seitenpforten, dahinter ein gezinnter Mittelturm und zwei schmalere Seitentürme mit roten Kuppeldächern; im Tor unter dem gehobenen goldenen Fallgitter das goldene Gemerke W.